Erlebt - Das 9-Euro-Abenteuer - Tag 3

Das 9-Euro-Abenteuer – Tag 3


Berlin

Berlin! Hier machen wir einen ganzen Tag Station. Als Kind war Berlin für mich der Inbegriff der „Großen Welt“ und noch heute liebe ich diese ambivalente Stadt, manchmal auch gerade wegen der Eigenschaften, die andere an ihr hassen. Zersiedlung, Großmannssucht, Krieg, Mauer und Architektenwahn haben Narben ins Stadtbild geschlagen, die nicht mehr heilen. Und anstelle der Pracht mancher anderen Stadt wohnt hier schmuddelige Wurschtigkeit direkt neben Größenwahn. Dennoch oder gerade deswegen herrscht in der Stadt eine Lebendigkeit, der man sich nicht entziehen kann. Ganz abgesehen von der „Berliner Schnauze“, die ich liebe. Doch genug der Vorträge, was geht's Euch eigentlich an, was ich denke?

Heute ist es ja eigentlich kein Bahntrip, aber wir fahren im Laufe des Tages soviel U-Bahn, S-Bahn, Bus und Tram, dass schon eine veritable Strecke herauskommt. Und wir zählen jetzt Bundesländer auf unserer Reise: mit Ba-Wü, Bayern, Thüringen, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Brandenburg und Berlin haben wir nun schon sieben auf der Liste.


Wir haben bewusst kein Hotelfrühstück gewählt, denn heute will ich den Jungs den ultimativen Ort für gutes Frühstück zeigen: die Berliner Dependance des berühmten „Benedict“ aus Tel Aviv. Eigentlich bin ich es gewohnt, davor Schlange zu stehen, doch heute ist ein Tisch im Frühstückstempel frei und wir können uns direkt in den angenehm kühlen Raum setzen. Tapeten mit Blättermotiven und exotischen Vögeln, Propellerventilatoren an der Decke, gediegene, entspannte Wohnzimmeratmosphäre und ein wirklich wahnsinnig netter Service. Und dann die pochierten Eggs Benedict, serviert mit Sauce Hollandaise auf Toast mit Schinken und knusprigem, frischgebackenem Bacon, die hausgemachte Apfel-Zimt-Marmelade, der Korb mit frischen Brötchen, der immer wieder aufgefüllt wird und das wunderbare French Toast, das mein Ältester genießt – was red' ich: das muss man einfach selbst erleben. Heute geht's uns gut!

Nun geht's mit U-Bahn und Tram zum Computerspiele-Museum. Mein Jüngster programmiert vollberuflich Spiele, aber auch wir anderen haben Freude an einer interessanten Austellung mit Exponaten aus verschiedenen Äras; sogar die zu den Spielen passenden Jugendzimmer aus den 70er und 80er Jahren wurden nachgebaut. Die Architektur der Straße – früher einmal "Stalinallee" – diente schon Filmen und Serien als Filmset für Moskau und anderswo, denn hier wurden auf einer Länge von ca. 2 km Vorzeigewohnbauten im stalinistischen Klassizismus gebaut. Man kommt sich ganz klein vor auf der überbreiten Straße, aber die Wohnungen oberhalb der Ladenzeilen sollen recht komfortabel sein – wenn man denn eine bekommt.

Weiter geht es zum Bahnhof Friedrichstraße, wo der Papa seinen Reisebegleitern den Tränenpalast, die ehemalige Grenzübergangsstelle für Bahnreisende, zeigt – auch die Stelle, wo er Mitte der 80er Jahre einmal ein knapp zweistündiges Verhör über sich ergehen lassen musste, was er bestimmt nicht zum ersten Mal erzählt.


Wir folgen der Friedrichstraße nach Süden, werfen aus Neugier einen Blick ins „Galeries Lafayette“, dessen Kuppel mit dem Original in Paris allerdings wirklich nicht zu vergleichen ist. Aber es sieht nett aus, es riecht nach teuren Duftwässern und vor allem ist es schön kühl dort. Die Temperatur draußen nimmt stetig zu. Immerhin müssen wir heute nicht unser Reisegepäck schleppen, das liegt wohlbehütet im Hotel.


In einer Passage weiter südlich kaufen wir im Supermarkt einen kleinen Lunch und verzehren ihn dort im Kühlen. Viel trinken ist angeraten! Nach dem Checkpoint Charlie – das Museum ist uns zu teuer, aber der Shop ist ja auch interessant – fahren wir noch zur Mauer-Gedenkstätte am Nordbahnhof. Kurz frischmachen im Hotel, dann geht's noch ins KaDeWe, bei dem vor allem die Schlemmer-Etage – nun heißt sie "Food Hall" wie bei Harrod's in London – uns Landeier immer wieder begeistert.

Wir planen, unseren Berlin-Aufenthalt mit einem Besuch des „Hard Rock Cafe“ zu beschließen. In der Hinsicht sind wir Jäger und Sammler und ich muss gestehen, dass ich Opfer des Kapitalismus über 20 T-Shirts von Hard Rock Cafes besitze, die ich überall in Europa vor Ort erstanden habe. Vor dem Lokal steht eine Schlange und wer keine Reservierung hat, kommt an diesem Tag nicht mehr rein, wie ich erfahre. Normalerweise zücke ich dann meinen „Priority Seating Coupon“, mit dem ich als verifizierter Besucher überall hineinkomme, aber offenbar wurde das Bonusprogramm gerade erst umgestellt und die Coupons gelten nicht mehr. Ich leiste Überzeugungsarbeit, verweise darauf, dass mein Coupon noch ein Jahr lang gültig ist – und nach einer gewissen Wartezeit dürfen wir dann doch ins Allerheiligste. Herz, was willst du mehr.

Die Nacht ist noch wärmer als die zuvor, da schläft es sich schwer. Wir beschließen, in den nächsten Tagen doch eher klimatisierte Räume zu buchen, solange die Temperaturen immer weiter ansteigen. Und wieder einmal stellen wir fest, dass es sich so anfühlt, als wären wir schon mindestens eine Woche unterwegs.

Share by: