Erlebt - Das 9-Euro-Abenteuer - Tag 7

Das 9-Euro-Abenteuer – Tag 7



Köln – Mainz – Karlsruhe – Schorndorf

Unfassbar. Heute ist der siebte Tag unseres Abenteuers, aber die Fülle der Ereignisse sorgt dafür, dass wir uns alle drei fühlen, als wären wir schon seit Wochen unterwegs. Und heute soll es wieder nach Hause gehen, so sieht jedenfalls der Plan aus.


Heute gönnen wir uns zum zweiten Mal auf unserer Fahrt ein reichhaltiges Hotelfrühstück. Gut gestärkt wirkt der Marsch zum Bahnhof schon viel kürzer. Eine Station mit der S-Bahn (die eine mittlere Stampede auslöst, weil sie erst am hintersten Ende des Bahnsteigs hält), dann stehen wir 20 Minuten vor Abfahrt des Zuges im Kölner Hauptbahnhof am Gleis. Die Regionalbahn soll uns bis Mainz bringen, wo wir 18 Minuten Umsteigezeit nach Karlsruhe haben; sie wird auf dem Weg jeden noch so kleinen Bahnhof abklappern. Der RE, der vorher aus diesem Gleis fahren soll, verspätet sich allerdings immer mehr und irgendwann ist uns klar, dass nicht beide Züge gleichzeitig auf demselben Gleis stehen können. Kurz vor Einfahrt des Zuges dirigiert uns eine Ansage auf das Gleis gegenüber – und da kommt er tatsächlich mit nur leichter Verspätung an. Die Waggons sind leer, eine Menschentraube drängt hinein und es gelingt uns, Sitzplätze zu ergattern.

Über Köln West und diverse Bahnhöfe in und um Köln und Bonn geht es los, dann verkündet uns der Lokführer, dass wir wegen eines Güterzuges warten müssen. Nicht schlimm, wir haben immer noch 12 Minuten Zeit zum Umsteigen. Kurz danach müssen wir einen ICE überholen lassen, dann noch einen ... – in Schleichfahrt geht es schließlich die wunderschöne Rheinstrecke entlang, die ICEs leider nicht mehr befahren. Wir sehen von unserem Panoramaplatz aus die Flusswindungen des Rheins, Schiffe, Burgen, die Loreley, uralte Türmchen und Mauern hier und da in den Städten: wirklich wunderschön.


Allerdings ist auch deutlich zu sehen, dass der Fluss Niedrigwasser hat – die Ufer liegen trocken und Sandbänke tauchen auf. Ein Mitreisender erzählt mir, dass Frachtschiffe gerade nur mit halber Ladung fahren können. Und das ist im Moment nur die Auswirkung des fehlenden Regens. Wenn die Gletscher schmelzen, wird dem Rhein in Zukunft der Zufluss durch das Schmelzwasser fehlen. Was das für Folgen haben wird, will man sich gar nicht vorstellen.

Unsere Umsteigezeit in Mainz liegt mittlerweile bei minus fünf Minuten und das heißt, dass wir erst geschlagene zwei Stunden später nach Karlsruhe werden fahren können. Über vier Stunden dauert die Fahrt, dann endlich sind wir mit inzwischen 42 Minuten Verspätung in Mainz. Wir überlegen dort, ob wir mit der Tram oder dem Bus über die Rheinbrücke nach Wiesbaden fahren wollen – immerhin fehlt Hessen noch auf unserer Liste und wir haben es schon seit Stunden auf der anderen Seite des Flusses gesehen – aber der Verkehrsverbund ist hier so chaotisch und schlecht ausgeschildert, dass wir den Plan aufgeben. Am Ende verschwindet noch eine Tram spurlos von der Anzeige, kurz bevor sie eintreffen soll. Stattdessen gehen wir ein paar hundert Meter bis zur Innenstadt, wo wir ein Bänkchen finden, auf dem wir unsere mitgebrachten Vorräte aufzehren können. Die Wespen sind unheimlich nervig und versuchen ständig mitzuessen – meinem Jüngsten krabbelt sogar eine über den Mund und ich bewundere, dass er dabei so ruhig bleiben kann. Am Ende der Straße ist auf einmal Musik und Trubel zu hören – und wir stolpern mitten in den CSD Mainz, dessen Parade dort eben vorbeiläuft. Die Jungs rennen hin und feiern ein paar Minuten mit, während ich das Gepäck bewache – in erster Linie vor den Wespen. Immerhin haben wir schon letzten Sonntag die Parade in Stuttgart verpasst.

Rechtzeitig vor der Abfahrt des Zuges stehen wir am Bahnsteig 5a – die Bahnsteige sind hier nicht nur in Abschnitte, sondern auch in eine a- oder b-Seite eingeteilt – und hoffen, dass alles klappt. Kurz vor der Ankunft verwirrt uns eine Durchsage, die von Gleis 5b spricht – das wäre auf der anderen Seite des Bahnsteigs. Meint der das im Ernst? Nun wechselt auch die Anzeige auf 5b und wir nehmen die Beine in die Hand, während die Lok schon zu erkennen ist. Allmählich beginnt auch den anderen Fahrgästen zu schwanen, dass etwas faul ist – und es kommt direkt vor der Einfahrt des Zuges zu regelrecht gefährlichen Szenen, weil Menschen auf dem übervollen Bahnsteig wild durcheinander rennen und versuchen, aneinander vorbeizukommen. Endlich hält die Bahn, aber es ist ein sehr eigenartiger Zug, dessen Waggons jeweils nur eine Tür haben. Das verstärkt das Gedränge noch und es kommt an den Eingängen zu tumultartigen Szenen, bis wir endlich ins Innere gelangen. Die Fahrt verläuft dann angenehm, der Zugführer macht ein paar lockere Sprüche und endlich kontrolliert mal jemand unsere Tickets. Es geschieht noch ein zweites Wunder: wir kommen pünktlich in Karlsruhe an.

Der gelbe „bwegt“-Regionalexpress, der uns nach Hause bringen soll, fährt ein – und dann passiert etwas Ärgerliches, das ich genau so schon einmal in Karlsruhe erlebt habe. Statt anzuschreiben, dass dies der richtige Zug ist, steht am Gleis erstmal „nicht einsteigen“, so als käme die gewünschte Bahn erst noch. Die Fahrgäste sind verwirrt, einige steigen ein und andere sind noch unsicher. Warum machen die das? Warum muss man die Leute – auf gut deutsch – so verarschen? Ein paar Minuten wechselt dann die Anzeige. Wir sitzen. Und der Zug fährt pünklich los. In Durlach setzt sich ein unrasierter Mann um die 50 neben mich, der ziemlich viel Gepäck dabei hat – unter anderem ein Ein-Mann-Zelt. Irgendwas muss schiefgelaufen zu sein, denn er versucht, den Inhalt einer Bierflasche, die ein Loch hat, in eine Plastiktrinkflasche umzufüllen. Dabei landet eine Menge Bier auf dem Boden und genauso riecht es dann auch im Waggon. Als das erledigt ist, beginnt er, auf seinem Handy herumzuwischen, als würde er mit einem Werkzeug Holz bearbeiten. Dass er mir dabei ständig seinen Ellenbogen in die Seite rammt, scheint ihn überhaupt nicht zu stören. Endlich verlässt er in Stuttgart den Zug – nicht ohne mir beim Aufstehen noch zwei Gepäckstücke an die Schulter zu donnern. Und dann, dann ... – sind wir endlich in Schorndorf, dem Anfangspunkt unserer Reise.


Das Auto steht noch da, wo es hingehört, und nach einer Woche Abenteuer geht es endlich nach Hause. Im Garten sehen wir die Stelle, wo wir vor einer Woche gegrillt haben – uns ist, als wäre das Wochen her. Meine Frau und meine Tochter begrüßen uns, als hätten wir eine Weltreise gemacht. Und ein bisschen fühlt es sich auch so an. Es gibt Hähnchen.

Bundesländer-Count: 14 von 16. Hessen haben wir nur knapp verpasst. Und naja, das Saarland – das ist eben das Saarland.


Nachtrag 1: Meine Tochter, angehende Pflegefachkraft, hat meinen Fuß inspiziert und die Wunde gereinigt. Alle gut, sie gibt mir noch ein paar Jahrzehnte.


Nachtrag 2: Eine Auswertung der Reise und ein Fazit folgt – in ein paar Tagen. Ich bin jetzt mit meiner Frau im erholsamen Teil des Urlaubs und schreibe diese Zeilen in einem netten, kleinen Hotel nahe des Klosters Andechs, unweit vom Ammersee. Und jetzt mach ich erstmal Ferien.  Habt alle eine gute Zeit!

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