Gedacht - Jedem seine Wahrheit?

Jedem seine Wahrheit?

Jemand schrieb mich auf Facebook an: 

„Jeder hat seine Sichtweise und wer sagt was wahr ist? Ich traue keinen GEZ-Medien, Du keinen alternativen Medien (sage ich jetzt so). So was nun, wer spricht die Wahrheit?“


Hier meine Antwort:

Ich denke der Grundsatz ist: jeder hat ein Recht auf eine eigene Meinung, aber nicht jeder hat ein Recht auf eine eigene Realität. Man kann anhand der Fakten eine Menge diskutieren, zum Beispiel über die traurige Rolle, die unsere Regierung in der Pandemiebekämpfung spielt. Da gibt es viele Meinungen und die kann man austauschen. Und auch über Quellen kann man streiten, man kann schauen, wie wahrheitsgemäß die berichten, man kann die Zahlen überprüfen, man kann hören, was Fachleute dazu sagen und Fachartikel nachschlagen. Ich gehe nicht davon aus, dass ich jemanden, mit dem ich diskutiere, „auf meine Seite“ bringe oder er mich, aber ich will wenigstens verstehen, warum jemand so oder so argumentiert.

Was aber nicht funktioniert: wenn einer sagt (und das habe ich erlebt), er glaubt einfach keinen Zahlen, keinen Statistiken und keinen wissenschaftlichen Studien, er konstruiert irgendwelche Verschwörungen, weil weltweit alle Regierungen nur Böses im Sinn haben, er ignoriert die Toten, die Kranken, die Belegungszahlen, er unterstellt jedem Krankenhaus, jedem Landratsamt und jedem Politiker, die würden alle nur lügen, er teilt irgendwelchen Kram von Bitchute und telegram, weil irgendwelche selbsternannten Experten dort Dinge behaupten, die keinem Realitätscheck standhalten. Mal ehrlich: wie soll man da diskutieren? Das ist ja eine andere Realität.


Es gibt für mich übrigens auch keine „linke“ oder „rechte“ Wahrheit – ich kenne Leute in beiden Lagern die ich sehr schätze und andere, von denen ich keinen Gebrauchtwagen kaufen würde. Wobei sowohl „links“ wie auch „rechts“ ein sehr breites Spektrum sein kann; Extremisten mag ich von keiner Seite, weil man mit denen nicht vernünftig reden kann.


Ich will es auch genau wissen, mir reicht es nicht, Pressemeldungen zu lesen. Also höre ich z.B. Blogs von Virologen und Medizinern, schlage nach, was mir komisch vorkommt, gehe der Sache nach, wenn ich z.B. eine Inzidenz nicht nachvollziehen kann und rechne nach, schaue zu den Quellen in die Landratsämter und in medizinische Seiten, aber auch zu ausländischen Medien, höre mir an, welche Lösung welcher Politiker vorschlägt und inwieweit sich das mit den medizinischen Voraussagen verträgt. Und ich schaue, welche Voraussagen Experten getroffen haben und was davon eingetroffen ist. Ich bohre nach, bis ich Antworten habe – und die vertrete ich dann auch. (Jemand hat geschrieben, das wirke „oberlehrerhaft“ – sorry, das mag daran liegen, dass ich mich so intensiv damit beschäftigt habe.) Mir ist klar, dass zwischen Wissenschaft und Wirtschaft eine Lücke klafft, weil beide unterschiedliche Interessen haben – und dass die Politik eine Gratwanderung dazwischen machen muss. Ich bin also weder ein Befürworter der Regierung und ihrer Maßnahmen noch halte ich Kritik – also echte Sachkritik – irgendwie für falsch. Und wir brauchen konstruktive Kritik: Demokratie ist für mich im Idealfall ein Wettbewerb der besten Ideen.


Was wir nicht brauchen sind Märchen und persönliche Anfeindungen. Beides hilft kein Stück dabei, eine für uns alle schwierige Situation zu meistern. Wirklich niemandem.


(23.04.2021)

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